Das Braker Pfarrhaus von 1699

Kolonat Nr. 141 a



Das Pfarrhaus von oben Das Pfarrhaus von Westen

MIT DER HÜLFE GOTTES IST DIS PFARRHAUS ANNO 1699
GEBAWET IN DER ZEIT DA CORT CRULL UND SIMON
HENRICH HACKEMACK KIRCHENDECHEN WAREN UND EIN
SCHEFFEL ROCKEN 2 TALER UND 24 GR. GALT


Diese Inschrift steht am alten Braker Pfarrhaus auf dem Niedernhof.

Seit den Anfängen des Dorfes Brake - vielleicht auch schon davor - gab es zwei große Höfe, den "oberen Hof" und den "Niederen Hof". Sie wurden zu Beginn des 16.Jahrhunderts aufgeteilt und durch kleine Hausstätten neu besiedelt. Die Niedere Hof lag ungefähr an der Straßengabelung des heutigen Niedernhofes zum Eikermannsberg. Wo der Obere Hof lag, ist zwar nicht belegt, doch deutet vieles auf gerade das Gelände hin, auf dem heute der Pfarrhof steht, Hierhin, auf die nun freigewordene Stätte des alten Hofes, zog nun der Pfarrer- mit Bewilligung des Landesherrn, dem das Grundstück gehörte.

Belegt sind umfangreiche Bauarbeiten aus den ersten Jahren des 17.Jahrhunderts. Es liegen Rechnungen von 1602 bis 1620 vor, die aufwendige Um- und Ausbauten des Pfarrhauses bezeugen. So wurden neben Holz- und Lehmarbeiten eine neue Küche für den Pfarrer gebaut; und auch ein Schornstein wurde durch den Lemgoer Baumeister Roleff von Grund auf neu errichtet. Weiterhin werden Ausgaben für ein neues Bett und eiserne Öfen aufgeführt. Das Dach des Hauses wurde mit Ziegeln neu gedeckt, was zur damaligen Zeit eine Seltenheit war, hatten doch die Häuser üblicherweise lediglich ein Strohdach. Überdies wurde im Hof ein neuer Brunnen gegraben. Alle Arbeiten deuten auf eine gründliche Renovierung des Baues hin. Doch es stand bereits der 30jährige Krieg vor der Tür. Wie fast alle Dörfer in Lippe hat auch Brake schwer unter den Kriegswirren zu leiden gehabt und nach dem Krieg 1648 sah es beim Pfarrer nicht besser aus, als bei den anderen Höfen im Dorf. Hinzu kam, dass durch Einnahmeverluste in der Kirchenkasse Ebbe herrschte, denn viele der abgabenpflichtigen Höfe sahen sich nach dem Krieg nicht in der Lage ihre Abgaben zu leisten.

Doch bereits in den 1650er Jahren ging man erneut ans Bauen. 1655 wurde eine kleine Scheune errichtet und das Dach des Pfarrhauses neu gedeckt. Im Jahre 1699 schließlich wurde das alte Gebäude abgebrochen und der jetzt noch stehende Bau errichtet. Vermutlich wurde sogar der Keller des Vorgängerbaus für den Neubau wiederverwendet.

Die Hausinschrift zählt zu den eher seltenen schriftlichen Zeugnissen, die wir an Fachwerkhäusern finden. Typischerweise bestehen die Inschriften aus einem Bibelspruch, dem Namen des Bauherrn und dem Baujahr. Im vorliegenden Fall fehlt allerdings der Bibelspruch und wir erfahren etwas über die wirtschaftlichen Verhältnisse jener Zeit. Doch gehen wir der Reihe nach vor.

Die Inschrift teilt uns nach der Datumsangabe die Namen der beiden  Kirchendechen mit, die 1699 im Amt waren. Was aber sind Kirchendechen? Die Dechen waren neben dem Pfarrer und den Kirchenältesten Mitglieder des Presbyteriums, also des Kirchenvorstands und hatten unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. So waren die Armendechen für die eingenommenen Gelder, die an die armen Leute verteilt werden konnten, zuständig. Seit 1842 gab es die Schuldechen, die für die Schulfinanzen, die Schulbesitzungen und die Lehrmittel zu sorgen hatten. Die Kirchedechen schließlich waren die Verwalter der Einnahmen, die der Kirche aus Höfen und Grundstücken zukamen. Von diesen Einnahmen wurden die Kirchengebäude sowie das Pfarrhaus, das Schul- und Küsterhaus und die dazugehörigen Grundstücke unterhalten. Die Kirchendechen führten die Rechnungsbücher und hatten für die korrekte jährliche Schlußabrechnung duch das Consistorium (Vorläufer das Landeskirchenamts) zu sorgen. Die Amtszeit der Dechen war nicht festgelegt, sondern sie wechselten in unregelmäßigen Abständen. 

Der in der Inschrift erwähnte Cort Crull stammte vom Maßbruch. Die Familie Crull oder Cruel lässt sich auf dem im 13. Jahrhundert gegründeten Hof  seit etwa 1580 nachweisen.

Der andere Deche, Simon Henrich Hackemack lebte seit 1681 in Brake und wohnte durch Einheirat an der heutigen Residenzstraße Nr.3.

Bemerkenswert und außergewöhnlich an der Inschrift ist die zunächst recht profane Bemerkung über den Preis eines Scheffels Roggen (Rocken). Ein Scheffel Roggen entsprach entsprach ca. 55 Litern und wurde normalerweise mit 18 Groschen (1/2 Taler)  berechnet. Der in der Inschrift angegebene Preis entsprach also mehr als dem 5-fachen des üblichen Wertes. Das war für die Kirche nicht gerade nachteilig, erhielt sie doch viele jährliche Abgaben aus ihrer Gemeinde in Naturalien, die sie nun auf dem Markt zu einem hohen Preis verkaufen konnte. Ist hierin vielleicht ein Grund für den Neubau des Pfarrhauses in jenem Jahr zu suchen? Von Darlehen, die für den großen Bau zurückzuzahlen waren, ist jedenfalls nichts überliefert.

Sieht man sich die Inschrift genau an, so fällt auf, dass der Abschnitt über den Roggenpreis wie angehängt aussieht. Während der erste Teil des Textes auf dem Querbalken platziert ist, befindet sich am Torständer der Nachsatz über den Wert des Roggens. Offensichtlich ist dieser Teil der Inschrift im letzten Moment angefügt worden - ob als Dokumentation eines historischen Ereignisses oder als Rechtfertigung für den hohen Preis, der für die Errichtung des Pfarrhauses zu zahlen war, mag dahingestellt bleiben.

Einen großen Umbau erfuhr das Pfarrhaus im Jahr 1845. Bis zu diesem Jahr entsprach die Innenaufteilung des Hauses im wesentlichen der eines gewöhnlichen Bauernhauses. Unter dem Inschriftsbalken bafnd sich ein großes Scheunentor, durch das man auf die Dreschdeele gelangte und an deren Seiten Ställe für das Vieh lagen. Hinter der Deele schlossen sich ein Flur mir dem  Treppenhaus in der ganzen Breite des Hauses an. An der Rückseite schließlich lagen die Wohnkammern. Da zwischenzeitlich (1804) ein separates Stallgebäude errichtet worden war, und die Eigenwirtschaft des Pfarrers wohl auch  mehr und mehr reduziert wurde, entstanden durch Aufteilung des Deelenraums nun kleinere Zimmer. In späterer Zeit wurde hier der Konfirmandensaal eingerichtet. Im ersten Stockwerk gab es einen großen Raum, der so groß wie die ehemalige Deele war und als sogenanntes Gesellschaftszimmer diente. Hierhin zog man sich mit Gästen zurück oder er diente als Räumlichkeit für Familienfeste. Alles im allem war das Haus schon dem eines höheren Beamten vergleichbar und damit im Dorf sicherlich etwas Besonderes.

Überhaupt ist das Gebäude bereits durch seine Größe hervorgehoben und weist so auf die ehemals besondere Stellung seiner Bewohner hin. Als einziges Haus im Dorf trägt es ein Walmdach, als ein Dach, das an allen vier Seiten geneigt ist und Dachziegel trägt. Darüber hinaus steht das Haus auf dem größten Grundstück des Dorfes.

Bis zum Jahr 1964 wohnten die Pfarrer in Alten Pfarrhaus. Dann wurde die Pfarrscheune abgebrochen und ein neues Pfarrhaus errichtet.