Der ausgegangene Ort Schöllentrup


Schöllentrup

Blick vom Großen Schöllentrup auf den Kleinen Schöllentrup, den mutmaßlichen Siedlungsplatz, 2003


Die Urkunden

An die ausgegangene Siedlung Schöllentrup erinnert heute nur noch ein Weg gleichen Namens im südlichen Bereich der Gemarkung Brake. Dieser zum Teil noch als ehemaliger Hohlweg erkennbare Weg zweigt von der Wiembecker Straße ab, verläuft parallel zur Residenzstraße über einen Höhenrücken und endet unvermittelt in der Ackerflur. 1647 wird dieser Weg bezeichnet als der Grasweg, der [...] nach dem Vagenbreder Platz gehet. Nach dem Urkataster trägt die gesamte nach Süden anschließende Feldflur den Namen "Schöllentrup". Die Heimburgsche Karte von 1775 weist dieses Gelände als "der große Schöllentrup" aus. Weiter südlich, jenseits eines kleinen Siekes, schließt sich eine Parzelle mit der Bezeichnung "der kleine Schöllentrup" an.

Die älteste Nachricht über den Ort liefert die Heberolle der Abtei Herford aus dem 12. Jahrhundert. Danach gehörte die damals Scoderingthorp genannte Siedlung zur Villikation Übbentrup und hatte zu liefern 27 Scheffel Gerste, 15 Scheffel Hafer, Malz, ein Schwein, ein Schaf, 2 Hähne und 7 Fuder Holz.

Im Jahre 1322 verschenkt der Edelherr Simon I. zur Lippe mit Zustimmung seiner Gemahlin Aleydis und seiner Erben sein Eigentum an dem Hofe in Schoderinctorpe im Kirchspiel St. Johann vor den Mauern Lemgos an den Knappen Lubbert genannt Wendh. Einige Jahrzehnte später, im Jahre 1388, verpfänden die Brüder Ludolf, Ritter, und Heinrich genannt Wende ihre Steinkuhle zu Schevelnstorpe dem Rat der Stadt Lemgo zum gemeinen Stadtsnutzen für 16 Mark Pfennige auf zehn Jahre. Es handelt sich bei den in den Urkunden genannten um Angehörige der reich begüterten und einflußreichen Lemgoer Ritterfamilie de Wendt, die bereits im 13. Jahrhundert als Patriziergeschlecht in Lemgo vertreten ist.

In einem Verzeichnis der dem Gografen von St. Johann abgabepflichtigen Gehöfte und Personen von 1432 wird de hoff to Schadelentorpe mit einem Scheffel Hafer aufgeführt.

Für den Ort Schöllentrup gab es einen eigenen Zehntbezirk, dessen Ertrag an das lippische Haus floß. Das Zehntregister des Lemgoer Klosters St. Marien erwähnt den Schöllentruper Zehnten als Grenzgebiet zu den Braker Zehntländereien: De teghede to Brak beide Slot und Dorp dat alle tegheden gyfft behalver dat wedeme lant van der kerken to Brak dat ys vryg und went to deme Bistberghe wert und ouer deme hornischen weghe weite to deme Schodintorpeschen tegheden und Asbroke uppe de ost syden alzo dat zyk utwyset by deme großen steyne myt der groten Bulten und luteken Bulte ok dar to horet und plach to donde by 14 Molt Korneß. (→ Übersetzung).


Die Lage

Wo hat nun das Dorf Schöllentrup gelegen? Zweifellos haben wir es in der südlichen Hälfte der Gemarkung Brake und zwar jenseits der nach St. Marien zehntpflichtigen Ländereien zu suchen. Wir befinden uns damit bereits im weiteren Bereich des Vorwerks Fahrenbreite, eines Außenpostens der Meierei Brake. Das Vorwerk wurde gegen das Jahr 1600 gegründet. Süvern vermutete, daß Schöllentrup von der Hofstätte der Fahrenbreite überbaut worden ist, wobei er allerdings aufgrund irrtümlicher Quellenlesung die Anfänge der Meierei auf ca. 1540 ansetzte.

Verschiedene Schnatgänge der Lemgoer Ratsherren, bei denen die Hudebezirke überprüft wurden, geben hierzu weitere Auskunft. Im Jahre 1533 wird vermerkt: ... tom derden: dath wy mytt der Greshode beßuert werden nemplich an den Have tho Rypen unde Klinckhamas Rade dath der van Lemego gekoffte Guet yß. Ock dath der sulven van Lemego Hode benouwet werdt na den Hoven tho Schollentroppe [am Rand hinzugefügt: an den Boberge] na dem Hedesschen Kobome baven der Storcksgrundt unde sunst anders buten ... (→ Übersetzung).

In einem Schnatgang von 1577 heißt es: ... Von dem Maßbrock neden durch den Wymeker Berg na der Varenbreen ock berechtiget tho hoeden, durch datt Hornische Schlinck ock berechtiget vor Schollentrop vor den Scheven Brandt baven der Snacken Grund her, von dem Hornischen Wege na den Boberge. (→ Übersetzung). Das Hornsche Schling war ein Durchlaß in der Landwehr für den Hornschen Weg. Er wird bei dem heutigen Gasthaus "Zur Landwehr" an der Residenzstraße gelegen haben.

Insbesondere das Protokoll von 1651 liefert entscheidende Hinweise zur Lage des Ortes: ... ferner den Knick und Landtwehr hinauf den Wiembker Bergk hinan für den Wiembker Berge her, daselbst die von Lemgo die Mitthuede haben und demnechst für dem Wiembker Berge her, nacher der Vahrenbreeden, daselbst muß der Knick und Landtwehr mit Eichen wieder bepatet werden [...] ferner den Knick und Landtwehr hinauff gangen von dreyen Baurmeister berichtet daß man die Schweine Driftten dieses Ohrts habe, also ferner befunden, das in dem Knicke und Landtwehr ein Deich von H. Graffen Otto zur Lippe gemacht, da wieder protestiret, dan ferner gangen biß an den Hörnischen Weg über Schöllentrup durch das Hornische Schling woher die von Lemgo die Driftten haben und Hude haben.

Die Ratsherren gehen nach der Beschreibung also zunächst über die Fahrenbreite, an einem Teich in der Landwehr vorbei und dann über Schöllentrup bis an den Hornschen Weg. Damit kann die Ortslage von Schöllentrup nicht mit dem Standort der Meierei Fahrenbreite identisch sein. Wir haben ihn weiter nord-westlich in Richtung zum Hornschen Weg, der heutigen Residenzstraße zu suchen.

Alte Siedlungen finden wir in der Regel in geschützter Lage in der Nähe eines Bachlaufes. Fließgewässer sind geradezu Leitlinien für die Entstehung von Hofstätten. Sie sicherten die Wasserversorgung für Mensch und Vieh und boten hofnahes Wiesengelände. Für die Hofstätten selbst wurden hochwasserfreie Lagen, vorzugsweise Hanglagen gewählt. Sehen wir uns nach diesen Voraussetzungen in der Gegend des ausgegangenen Ortes um, so ist festzustellen, daß die Parzelle, die auf der Heimburgschen Karte als "der kleine Schöllentrup" bezeichnet wird, den idealen Standort eines Hofes bildet. Der trockene, flache Hang, an dessen Fuß sich ein kleiner Bachlauf befindet, repräsentiert in idealer Weise die topographische Situation einer Siedlung des frühen Mittelalters. Jenseits des Baches schloß sich dann die Feldflur an, nach Heimburg später als "der große Schöllentrup" bezeichnet. Bei einer Größe von etwa 75 Scheffelsaat (12½ ha.) reichte sie bis an die Braker Gemarkung, dessen Grenze der Zehntbezirk des Klosters St. Marien kennzeichnet.

Ganz in der Nähe der Siedlung lag nach der oben angeführten Urkunde von 1388 ein Steinbruch. Nun existieren in der näheren Umgebung von Schöllentrup nicht weniger als vier Steinbrüche, so daß es kaum möglich sein wird, hier eine genaue Zuordnung zu treffen. Unmittelbar südlich der mutmaßlichen Ortslage scheint ein älteres Abbaugebiet zu liegen, das sich in dem heute mit Buchenwald bestandenen Gelände als stark hügelige Oberfläche zu erkennen gibt. Es mündet in einer tiefen Senke mit einem Teich, der den bemerkenswerten Namen "Steinteich" trägt und damit möglicherweise auf einen alten Steinbruch hinweist.


Der Name

Die älteste Namensform Scoderingthorp ist auf eine patronymische Bildung des Ortsnamens zurückzuführen, d.h. zum Grundwort -thorp = trup = Dorf leitet sich das Bestimmungswort von einem Personennamen, in diesem Falle dem altsächsischen Vornamen "Scoder", ab. Das angehängte "-ing" ist das Kennzeichen für eine Sippenbezeichnung. Der Name Scoderingthorp wäre demnach zu deuten als "Das Dorf der Familie des Scoder".
Die weiteren Namensformen waren: 1322: Schoderinctorpe, 1364: Schevelnstorpe, 1432: Schadelentorpe, 1450: Schodintorpe, 1533: Schollentroppe, 1587: Scholintorpe, 1651: Schöllentrup.

Das Dorf Schöllentrup zählt zu den sogenannten "-trup"-Orten, die gerade in Lippe außerordentlich zahlreich sind. Die Ortsnamen- und Siedlungsforschung datiert diese Dörfer in die vorkarolingische Zeit von ca. 500 bis 800 n. Chr. Sie sind somit anzusehen als die Vertreter der ersten großen Siedlungsverdichtung nach der Zeit der Völkerwanderung.


Die Siedlung

Der Umfang der Siedlung Schöllentrup ist bislang nicht zu ermitteln, doch dürften kaum mehr als zwei Hofstellen anzunehmen sein. Wahrscheinlicher ist sogar eine Ein-Hof-Siedlung. Der Ort war kirchlich in den Bezirk der Kirche St.Johann vor dem westlichen Tor der Stadt Lemgo eingemeindet. Das ist insofern bemerkenswert, als die Braker Kirche trotz ihrer Nähe hier offenbar keinen Einfluß auf die Kirchspielszugehörigkeit hatte.

In den Schatzregistern des Amtes Brake, deren ältestes von 1467 stammt, läßt sich Schöllentrup nicht lokalisieren. Es finden sich dort jedoch die Namen zweier Höfe, die sich bislang weder in Brake noch in den Dörfern des Wiembecker Hagens nachweisen lassen. So wird im Register von 1467 Henne under den Eken genannt. Von 1507 bis 1532 heißt die Stätte Gottschalk under den Eken. Danach scheint der Hof aufgelöst worden zu sein. In den Registern von 1488 und 1497 wird der Hof nicht genannt, doch finden wir für genau diese Zeit einen Besitzer namens Schomborch. Möglicherweise gab es also zwischen 1467 und 1488 einen Besitzerwechsel. Einige Jahre später wird dann der neue Besitzer unter der alten Hofbezeichnung "under den Eken" weitergeführt.

Ein weiterer Hof, dessen Zuordnung unklar ist, wird in den Jahren 1507 bis 1532 unter dem Namen Deppe bzw. Deppe Scheper geführt. Er läßt sich in den Registern des 15. Jahrhunderts noch nicht nachweisen und kommt auch nach 1532 nicht mehr vor. Der Hof Deppe könnte insbesondere deshalb als Schöllentruper Hof in Frage kommen, als ein Waldgebiet westlich von Schöllentrup in der Nähe der Gastwirtschaft "Zur Landwehr" im Jahre 1721 die Bezeichnung "der Deppenberg" trägt. Das Gehölz war seinerzeit im Besitz des Hofes Blattgerste Nr.2 in Brake. Der Name Deppe ist ansonsten in Brake nicht nachweisbar. Es wäre möglich, daß das Gebiet am Osthang des Biesterberges ehemals zur Gemarkung Schöllentrup zählte und nach dem Niedergang des Ortes an die Braker Höfe gekommen ist.

Die Siedlung Schöllentrup dürfte spätestens zwischen 1532 und 1535 aufgelöst worden sein. Vielleicht sind erste Maßnahmen zur Zerschlagung der Höfe bereits um 1507 getroffen worden und erste Umsiedlungen vorgenommen worden, finden wir in diesem Jahr doch im Schatzregister von Voßhagen, Ksp. Schötmar, einen Abgabepflichtigen namens Hans Schollentrup.