Carl Köller

Ein Schulmeister von Format

von Heinrich Diestelmeier (1975)

Gebürtige Braker, die 60 Jahre und darüber zählen, erinnern sich gut und vor allem gern an ihren alten Lehrer, der von 1889 bis 1925 in unserem ehemaligen Dorf gewirkt hat. Es interessierte mich, warum man von einem Schulmeister, der, wie man es Köller nachsagt "tüchtig gewemst" hat, auch heute noch mit solch einer Hochachtung reden kann. Offensichtlich waren es drei charakteristische Eigenschaften, die auf seine Schüler einen tiefen Eindruck hinterließen und von denen sie - so oft der Name Köller fällt - mit Begeisterung berichten: "Köller verstand es, uns schwierige Dinge (Raumlehre z.B. war sein Steckenpferd) mit einfachen, aber anschaulichen Mitteln zu erklären. Und wenn es jemandem schwer fiel, etwas zu begreifen, dann nahm er sich des Schülers nach dem Unterricht in besonderer Weise an; und das bei 60 bis 70 Schülern in einer Klasse! -

Was ich auch nie vergessen werde, das war unser Mitwirken im Chor (dreistimmig) morgens um 6 Uhr in der Lichterkirche! Die Leute blieben auf der Straße stehen, wenn wir in der Schule (jetzt Kreissparkasse) die Weihnachtslieder einübten". "Wenn's klappt, " sagte der Lehrer, "gibt' s schulfrei "! Wie aus einem Mundewurde mir von allen Köller-Schülern dies als seine vornehmste Tugend berichtet: "Er war gerecht" !

Das also, so machte ich mir klar, ist das Höchste, was Schüler ihrem Meister, der vor nunmehr 50 Jahren Brake verließ, über seinen Tod hinaus nachzurühmen haben: seine Gerechtigkeit! In der Tat eine hohe menschliche Tugend, die bei allem Wandel pädagogischer Praxis ihren Stellenwert nicht verloren hat. Man konkretisiere: Da wird ein Arbeiterkind genauso behandelt wie das eines Akademikers! - Da braucht sich die Mutter eines Kindes, die in einer Elternversammlung Bedenken äußerte, ob sie das Geld für einen Landschulaufenthalt aufbringen könnte, nicht sagen zu lassen, dann muß man eben sein Kind nicht auf eine höhere Schule schicken!' Gerechtigkeit, was ist das? Einer der ältesten noch lebenden Schüler, der im alten Küsterhaus (jetzt Braker Mitte 4) die Schulbank gedrückt hat, erklärte mir Köllers Tugend mit den Worten: "Er nahm den einen wie den andern'" Man stelle es sich vor: ein Erzieher sieht und behandelt das Kind eines Gastarbeiters wie das eines Einheimischen: ohne Vorurteil ! Das ist höchste pädagogische Kunst!

Mit seiner Äußerung "ihr werdet noch oft an mich denken" hat Lehrer Köller Recht behalten. Seine dankbaren Schüler haben nicht nur eine Straße nach ihrem Lehrer benannt, sie machten sich auf den Weg, den Köller ihnen gewiesen hat. Sie haben es erfahren, was der Schulmeister jedem Mädchen ins Poesiealbum zu schreiben pflegte: Nicht alles, was du lernen kannst, vermag ein anderer dich zu lehren. Nur, was du mühsam selbst gewannst, ist dein und wird dein Tiefstes mehren". Karl Köller starb am 8. August 1929 in Detmold und wurde auf dem Braker Friedhof beigesetzt.