Die alte Baderei in Brake

von Gustav Düsenberg (1987)

Das ehemalige Badehaus am Felsenkeller, 2003

Ja, an die Zeit, als es in Brake noch keine Wasserleitung gab, kann ich mich noch gut erinnern. Meines Wissens begann man in unserem Dorf in den dreißiger Jahren mit dem Bau der Wasserleitungen. Bis dahin hatten die meisten Häuser ihre eigenen Brunnen und Handpumpen. Darüberhinaus gab es auch einige Brunnen, die von mehreren Familien genutzt wurden. So stand z.B. bei Korfs im Obstgarten (heute Residenzstr. 5) ein Brunnen, der auch von den Nachbarn mitgenutzt wurde. Oder auf dem Niedernhof stand ein Brunnen mit einem Brunnenhäuschen. Mit der Seilwinde ließ man den Brunneneimer in die Tiefe herunter und zog ihn dann wieder hoch. Für Leute, die keinen eigenen Brunnen hatten, war es besonders im Winter beschwerlich , das Wasser für den täglichen Bedarf herbeizuschaffen, heute kaum vorstellbar.

Natürlich gab es auch einen Brunnen beim Felsenkeller, allerdings wurde das Wasser aus diesem Brunnen nicht zum Brauen genutzt, sondern vorwiegend zum Reinigen der Kübel. Die Brauerei auf dem Schloß bekam das Wasser - wie übrigens das ganze Schloß - von der Hasenbrede. Dafür gab es eine Wasserleitung aus Eichenrohren, also aus ausgehöhlten Eichenstämmen. Der Felsenkeller war ja auch nicht die Brauerei des Schlosses, sondern nur der Lagerraum des Bieres. 1831 fing man an, nach und nach den Felsenkeller zu bauen, später gab es dann hier auch einen Bierausschank im sogenannten "Biergarten unter der Linde". Die Honorationen des Dorfes trafen sich hier. 1908 hatte der Felsenkeller als Lagerraum für die Brauerei ausgedient.

Das Haus hier am Felsenkeller, in dem ich wohne, wurde erst in den zwanziger Jahren gebaut, fertiggestellt wurde es 1928. Der Klempner Beckmeier aus der Mittelstraße (heute: Braker Mitte) ließ es, unterstützt und ermutigt von Freunden, bauen. Er hatte den Plan, eine Sommerfrische für Gäste aus dem Ruhrgebiet zu schaffen - seine Erwartungen erfüllten sich leider nicht. Dazu hat Beckmeier eine Baderei gebaut. Er schuf 7 Badekabinen mit 7 Badewannen. Hier konnte jeder, der wollte, kommen und sein Bad nehmen. Man brauchte sich nicht anzumelden, mußte nur sein Handtuch und seine Wäsche mitbringen. Hatte jemand mal sein Handtuch vergessen, wurde ihm eins ausgeliehen. Geheizt wurde das Wasser und die Badekabinen mit einer Koksheizung. Wie lange jemand badete, das war egal . Wieviele pro Woche kamen, war sehr unterschiedlich. Bei Festlichkeiten, zum Beispiel vor einem Konzert des Gesangvereins, war schon mal mehr Betrieb. Anfangs kostete das Baden 75 Pfennig. Leute, die bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse versichert waren, kriegten von ihrer Krankenkasse 25 Pfennig Zuschuß, so daß sienur noch 50 Pfennig bezahlen mußten. Nach dem Krieg hat die AOK diese Zahlungen eingestellt.

Nach der Währung und als es mehr Wasserleitungen gab, begannen die Leute selbst Badewannen zu kaufen,und dann wurden auch Badezimmer gebaut. Vorher hatten wir schon den Betrieb eingeschränkt, so daß man nur noch freitags und samstags bei uns baden konnte. Einige - meist Geschäftsleute - kamen auch sonntags vormittags. Wir haben dann immer donnerstags angeheizt, damit freitags das Wasser warm war. Während des Krieges und der Nachkriegszeit konnte es vorkommen, daß man nicht bei uns baden konnte, nicht weil wir etwa Urlaub hatten, sondern weil es keinen Koks gab und wir nicht heizen konnten. Finanziell hat sich der Betrieb nie richtig gelohnt, trotzdem haben wir bis 1970 die Baderei aufrecht erhalten, besonders weil einige Ältere uns gebeten hatten.

Als ich Soldat war, machte meine Frau die Baderei alleine, sonst half ich ihr neben meiner Arbeit als Tischler. Obwohl man mit einigen Menschen Kontakt hatte, habe ich mit der Baderei keine Reichtümer erworben. Als ich 1931 den Felsenkeller mit dem Haus von der Sparkasse ersteigerte, war ich gerade arbeitslos. Da rieten mir einige, doch mit der Baderei mir eine neue Existenz aufzubauen. Meine Erwartungen haben sich leider nicht erfüllt. Einige glaubten sogar, ich hätte Beckmeier das Haus weggenommen, deshalb kamen sie nicht mehr zum Baden. Dazu kam, daß ich kurz nach dem Kauf des Felsenkellers wieder Arbeit bekam. Doch vorher im Akkord verdiente ich 1, 15 DM die Stunde, doch nun bekam ich nur 45 Pfennig die Stunde. Damit konnte ich kaum die Zinsen zahlen. Meine Frau wollte nicht, daß wir den Felsenkeller verkauften, so haben wir eben hier gelebt und auch viele schöne Stunden verbracht. Montags und dienstags war an der Bega früher oft viel los, denn da hatten die Frauen ihren Waschtag und kamen mit der Wäsche zum Spülen zur Bega. Wasserleitungen gab es ja nicht und die Bega war damals noch sauber. Heute kommt keiner mehr zum Wäschewaschen an die Bega, und das Baden im Felsenkeller ist seit 17 Jahren auch vorbei.