Residenzstrasse Nr. 12

Kolonat Nr. 4

Residenzstrasse Nr. 12

Residenzstrasse Nr. 12 um 1960

Der Hof Residenzstrasse Nr. (ehemals Kolonats-Nr. 4) gehört zu den Stätten, die um das Jahr 1560 neu gegründet wurden. Als erster Besitzer wird 1568 ein Ludike Hartmann genannt. Bis in jüngste Zeit hat sich der Name Hartmann auf dem Hof gehalten. Erst kürzlich wurde der Hof von seinen neuen Besitzern in vorbildlicher Weise restauriert.

Die Hausinschrift lautet:

ROMER AM OI V 13 DEN            JOHAN HARTMAN UND ANNA
NAMEN DES HERRN WIRD AN            MARGARETE KIRCHHOF AUS
RUFFEN SOL SELIG WERDEN            DER LUTTE ANNO 1704
M. HANS HERMAN WINTER            DEN 20. IUNIUS

Ein Bewohner des Hartmannschen Hofes wanderte im 19. Jahrhundert nach Amerika aus. Aus der neuen Heimat in Wyoming schickte er folgenden Brief nach Hause:

Boegers Store Osage Countey Wo. September d. 1ten 1880

Lieber Bruder

Deinen Brief haben wier erhalten und daraus gesehen, das Ihr noch gesund seid, welches uns sehr freut. Wier sind auch noch zimlich, nur daß ich ein schlimmes Bein habe. Ich wolte einem Pferde ein Eisen unterschlagen. Auf einmal riß es mir den Fuß weg und ein Nagel, den ich eben hinein geschlagen hatte, riß mir eine Wunde ins Bein. Das war zimlich schlimm bei den heißen Wetter. Es bessert aber wieder.

Euer Carl ist auch gesund und wohl. Er kan sich hier noch gar nicht zurecht finden. Er weiß noch nicht die Grenzen von unsern Land, verleuft und verirrt sich öfters. Ich hoffe, er wird mitt der Zeit besser acht geben. Unser Nachbar will ihn mieten und das ist für Carl ein guter Platz. Die haben eine große und gute Farm, es sind die beiden Alten und ihr ältester Sohn nur dar. Sie müssen beinahe alles durch fremde Leute thun lassen. Es ist für Carl der beste Platz, den ich hier weis. Was er verdient, kann ich noch nicht sagen, weil sie ihn gerne erst in Taglohn haben wolten, um zu sehen, wie sie zusammen fertig werden können, weil er noch nicht lange hier ist. Ich habe es ihn in Wahl gestellt.

Das dienen hier geht etwas anders als bei euch. Es geht bei Monaten. In der Regel sind es große Farmer, die mieten und dann nur ein par Monate im Sommer, wen die Arbeit viel ist. Im Winter haben sie weiter nichts zu thun als Vieh füttern und Feuerholz herbeischaffen und Fenzen ausbessern. Dar ist den im Winter nur wenich Verdienst. Im Sommer ist der höchste Lohn ungefär 15 Dollars monatlich, im Winter verdienen einige nur die Kost, einige etwas mehr.

Nun willst Du wissen, wie es steht um unsere Farmerei. Das will ich Dir wahrheitsgetreu schreiben. Wir haben ungefär 50 Acker in Weizen. Davon geerntet 540 Buschel. Es hätten können mehr als nochmahl so viel geben, also nicht gut geraten. Es geht in dieser ganzen Umgegend so. Meis versprach im Vorsommer eine große Ernte, die große Dürre aber hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es gibt wenich Kartoffel. Sind gut geraten. Wir haben aber nur sehr wenich gepflanzt, weil unsere Kinder sie beinahe gar nicht essen. Pferde haben wir 2. Maulesel haben wir 4. Drei davon können arbeiten, nebst den beiden Pferden. Der eine Esel ist noch ein Fohlen vom Frühjahr. Kühe haben wir jetzt 3, Milchkühe 3 Rinder, 1 Kalb, Schafe 6 Gänse 8, Hüner mögen etwas über 100 sein. Schweine 12 große, 9 kleine. Wir haben sie zimlich abgeschaft weil die vil kosten und nicht viel aufbringen. Obst haben wier 33 tragbare Beume, einige große, einige kleiner. Trauben kann man hier leicht ziehen. Es wird aber nicht viel daraus gemacht, weil hir viel Obst ist. Letzteres ist sehr billich. Das Pfund trokene Apfel kostet 2 Zent. Wald Beume gibt es hir welche von 7 bis 8 Fus im Durchmesser. Haben aber auch kleine, nachdem sie Boden haben. Wilde Tire gibt es hier viele. Es sind Hirsche, Fückse, Hasen (die sind kleiner als bei Euch) Waschbären, Opossen, Wildkatzen. Die sind nicht viel, aber gefärlich, so gros wie ein tüchtiger Hund. Eichhörnchen und noch viel mehr was ich nicht alle aufzählen kann, namentlich auch wilde Hüner, Wilde Gänse, wilde Pudchen. Schlangen sehr viel, die größten die ich gesehen sind ungefär 6 Fus lang 2 Zol Durchmesser. Einige sind sehr gefärlich.

Unser Wohnhaus ist 34½ Fuß lang mitt Küche 28 F. breit, aufgeständert 16 F. vom untern Beschuß bis mittleren 10 F. hoch vom mittleren bis obern 7½ F. Die obern Balken sind 2 Fus hoch an die Sparen befästiget. Der Stall ist 44 Fus lang 27 Fus breit, ungefär 27 Fus hoch. Nebst dem haben wir noch 8 andere kleinere Häuser.
Land haben wir 203 Acker 123 in der Fenz, 100 Acker klar, davon ungefär 7 Acker Wiese. Wir können noch über 40 Acker klären, weil es aber bergig will ich es erst liegen lassen und kaufen von dem besten was ich kriegen kann. Ich habe auch noch 70 Acker gepachtet. Da muß ich 3 1/3tel abgeben. Gedroschen wird mitt Maschine per Dampf getrieben. In der Ernte wird der Weizen drausen in Fienen gemacht. Zuweilen wird er auch gleich gedroschen, wen die Bundel zusammen gefahren werden. Das Backen thut mann hir in Kochofen nur Weizen und Meis Brod.

Seid herzlich gegrüßet von uns allen. Grüßet alle Verwante und Bekante. Wen Du die Scheere und Rasiermesser noch nicht weg geschickt hast dan las es nur, es kompt zu teuer

F.Frische

Das schicken der Scheere und Messer kompt 2mal so teuer als wir es kaufen können.